Kurz vor Schluss der Wechselfrist konnten Sie mit dem US-Nationalstürmer Bobby Wood und dem spanischen Innenverteidiger Román Golobart zwei internationale Spieler verpflichten. Wie gelang das noch so schnell? 
Mit Hartnäckigkeit, Fingerspitzengefühl und natürlich Kompetenz. Wir haben gut verhandelt und für alle Beteiligten faire Lösungen gefunden. Was Wood betrifft, waren wir öfter mit Jürgen Klinsmann, dem Coach der amerikanischen Auswahl, im konstruktiven Telefonkontakt. Ich kannte „Klinsi” zuvor nicht persönlich, wir haben uns aber sofort ausgezeichnet verstanden. Er befürwortet Bobbys Wechsel, der FC Erzgebirge ist in Klinsmanns Augen ein sehr geeigneter Verein für den jungen Mann. Hier bekommt er Spielpraxis, erlebt eine tolle Atmosphäre, er findet Trainer, die ihn weiter formen können, und ein gutes Umfeld. Alles Dinge, die der Spieler jetzt braucht. Ich habe mich gefreut, wie sehr Klinsmann unseren Verein schätzt. Trotz der Entfernung ist der Mann ganz nah dran am deutschen Fußball. Überhaupt waren die Gespräche in der Transferperiode mit allen Vereinen, mit Spielern und deren Beratern sehr konstruktiv und zielführend. Ich bin zudem froh, das wir für unsere Offensive Selçuk Alibaz vom KSC und den Lauterer Stefan Mugosa sowie Mittelfeldspieler Clemens Fandrich von RB Leipzig gewinnen konnten.

Und Román Golobart?
An dem Katalanen waren wir schon länger dran. Der 22-Jährige bringt Erfahrungen aus Spanien, England, Schottland und Köln mit, konnte sich aber in der 1. Bundesliga noch nicht vollkommen durchsetzen. Umso mehr ist es jetzt seine Chance in Aue. Mit ihm sind wir wettbewerbsfähiger auch im defensiven Bereich, haben einen großen, dominanten und kopfballstarken Mann gefunden. Sicher auch eine Option für Standards.

Wo wurden im Winter Schwerpunkte gesetzt?
Es sind drei: die im Herbst begonnene Analyse, danach Bereinigung und jetzt die Neuinvestitionen in den Kader. Nie vorher in der Geschichte des FC Erzgebirge Aue gab es in einer Halbserie derart tiefgreifende Strukturveränderungen. Im Ergebnis haben wir uns von sechs Spielern getrennt und auf der anderen Seite versucht, Qualität zuzuführen. Ich weiß, dass das Risiken birgt, es ist aber meiner Meinung nach die einzige Chance, um noch das Ziel Klassenerhalt zu erreichen.

Was kann ein Präsident tun, damit die Spieler in so schwieriger Situation den Kopf oben halten?
Erst mal muss der Präsident selbst den Kopf oben behalten. Was er nicht kann, weiß er: selber Tore schießen. Was er aber geben kann, ist positive Energie. Die Spieler sehen, wie ihr Präsident und andere Führungskräfte um den Verein kämpfen. Zusammen mit meinen Mitstreitern im Vorstand, in der sportlichen Leitung und im Verein wurde in wirklich sehr, sehr kurzer Zeit alles für den Erfolg getan. Wir können im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten freilich nur versuchen, die Voraussetzungen zu schaffen. Mein Vizepräsident Joachim Engelmann und ich haben im Trainingslager intensiv mit den Profis gesprochen, besonders mit den neuen. Ich bin sicher, auch wer nur ausgeliehen ist, wird sich reinhängen. Wenn sie sich hier zerreißen, ist das nicht nur ein nützlicher Eintrag in ihren Lebensläufen – Aue wird ihr Sprungbrett sein. Oder einige werden vielleicht sogar bei uns bleiben. Die Neuen müssen es ja nicht allein richten, die Mannschaft hat einen gesunden Kern. Ich setze auch auf die Erfahrenen, wie Männel, Klingbeil, Paulus, Schröder, Müller, Schönfeld, Benatelli, Diring & Co. Der Mix und das Klima im Kader passen. So entsteht eine Konkurrenzsituation, die leistungsfördernd ist, denn jeder will spielen und Schlüsselpositionen sind im Profifußball sowieso doppelt oder dreifach besetzt. Zudem sind alle Vollprofis und wollen Geld verdienen. Und das ist ja nicht wenig.

„Wir brauchen in allen Teilen des Klubs Qualität.” So Ihre Forderung zur FCE-Mitgliederversammlung im Dezember. Wo sehen Sie Defizite?
Es stimmt, der Zustand ist teilweise unbefriedigend. Strukturelle wie personelle Veränderungen sind in naher Zukunft dringend notwendig, um wettbewerbsfähig zu sein. Ich sehe es schon an meiner Belastung als ehrenamtlicher Präsident, die Grenze des Machbaren wird teilweise überschritten. Wir brauchen dringend hauptamtliche Führungskräfte, die den Verein kompetent, ehrlich und leistungsbezogen in allen Bereichen des operativen Tagesgeschäfts Profifußball leiten. Dazu kommen noch die Herausforderungen Nachwuchsleistungssport und Nachwuchsleistungszentrum, neues Sparkassen-Erzgebirgsstadion und vieles mehr. Das können kein ehrenamtlicher Präsident, kein ehrenamtlicher Vorstand und nur ein Geschäftsführer leisten. Doch jetzt müssen wir zuerst mal die kurzfristige, sportliche Aufgabe anpacken. Der Klassenerhalt ist entscheidend für die nächsten Schritte, die dann zwingend folgen müssen.

Wo ist die rote Linie, damit der FC Erzgebirge dabei nicht in Schieflage gerät?
Der Verein ist wirtschaftlich geordnet und wir versuchen stets, im Rahmen des ökonomisch Möglichen zu handeln. Insbesondere, um die immer anspruchsvolleren Lizenzbedingungen zu erfüllen. Wir als Präsidium dürfen dabei nie bloß als Sportler handeln, sondern immer auch als Kaufleute. Sportlich gesagt, der Ball muss am Ende des Tages immer im Feld bleiben, auch wenn er kurz mal jenseits der Außenlinie war. Wir wissen, dass wir über den Gletscher laufen, sind uns aber der Risiken bewusst. Darum müssen wir immer sorgfältig abwägen und handeln. Zudem haften wir als Präsidium persönlich für den Verein, schon deshalb sollte man kein russisches Roulette spielen.

Wie reagieren Sponsoren und Fans auf die sportliche Lage?
Was ich zum Beispiel im Trainigslager in der Türkei an Feedback aus dem Umfeld bekam, tat echt gut. Wie Fans und Sponsoren uns unterstützen, ist einzigartig. Kompliment speziell auch ans Funktionsteam; an Trainer, Physiotherapeuten und den Mannschaftsarzt Torsten Seltmann vom HELIOS Klinikum Aue.

Was wünschen Sie sich am Freitagabend?
Leidenschaft, Kampf, Disziplin, Herzblut und natürlich Punkte. Aber auch die Nerven behalten! Entscheidend wird sein, gegen RB und in den folgenden Spielen sofort zurück in die Spur zu finden und aufzuholen. Die Qualität dafür haben wir jetzt, denke ich. Bei unserer Mission Klassenerhalt muss der Funke von der Mannschaft auf die Ränge und aufs Erzgebirge überspringen. Dazu viel Erfolg, Glück auf!

Interview: Olaf Seifert
Quelle: fc-erzgebirge.de