FCE-Präsident Helge Leonhardt fordert bessere wirtschaftliche Basis für Drittliga-Klubs
Anfang September 2014 übernahm Helge Leonhardt den FC Erzgebirge. Nach dem Abstieg führt der Unternehmer und Mitinhaber der Leonhardt Group jetzt die Neuausrichtung des Vereins. Für WochenSpiegel sprach Olaf Seifert mit dem FCE-Präsidenten und -Hauptsponsor.
Der bittere Abstieg ist abgehakt?
Ja, alle im Verein schauen nach vorn. Analysiert wurde das Wie und Warum natürlich konsequent, darum will ich dazu dennoch einige wenige Worte sagen. Trotz gewaltiger Kraftanstrengung, speziell in der 2. Halbserie mit 23 erkämpften Punkten, haben wir das große Ziel nicht erreicht. Der Kampf war offen bis zum letzten Spiel.
Nach mageren 13 Punkten aus der Hinrunde erinnere ich mich vor allem an die enormen Kraftanstrengungen zur Winterpause, wo es uns gelang, der Mannschaft durch die Verpflichtung von sieben neuen Spielern Zweitligaqualität zuzuführen und somit die Chance auf den Klassenerhalt, zumindest dem Kader nach, gegeben war. Im Januar begann die Aufholaktion. Der grandiose Sieg zu Hause gegen RB Leipzig, danach der Sieg und die klasse Leistung bei Fortuna Düsseldorf. Dann die Verletzungsperiode und der Ausfall von Bobby Wood, Clemens Fandrich, Arvi Novikovas, Michael Fink und mehr, was uns wichtige Punkte kostete. Es folgte das gelinde gesagt missglückte Aalen-Spiel und der tolle Sieg bei 1860 München. Aber vor allem erinnere ich mich an die vier letzten ereignisreichen Spiele, bei denen die Türen zum Klassenerhalt offen standen: der großartige Sieg gegen Karlsruhe zu Hause vor voller Hütte, dann der fantastische Sieg bei den Eisernen in Berlin mit sagenhaften Fans – unvergessen für mich. Dann der vorletzte Spieltag: Im krachend vollen Auer Stadion gegen Kaiserslautern gab es ein Unentschieden, aber auch nicht nachvollziehbare Fehlentscheidungen des Schiedsrichter- kollektivs. Ähnlich wie am selben Tag in der Partie der Münchener Löwen gegen Nürnberg. Da sind wir eindeutig um die entscheidenden Punkte, die uns den Klassenerhalt gebracht hätten, quasi betrogen worden. Diese Vorkommnisse wurden leider bis heute weder ausreichend aufgeklärt noch dementsprechend sanktioniert.
Schließlich dann der schwarze Sonntag in Heidenheim, als der eine Punkt im Endspiel leider nicht reichte. Unsere Fans haben uns in einzigartigen Bekundungen trotzdem gefeiert und standen wie eine Mauer hinter uns. Das war eines meiner emotionalsten Ereignisse, die ich bei uns im Erzgebirge erlebte. Wir haben dann die ganze Mannschaft am folgenden Montagmorgen zusammengerufen und uns bei allen Spielern und Verantwortlichen in Einzelgesprächen bedankt. Auch für mich wahnsinnig emotionale Szenen! Damals schon lautete meine Ansage: „Wir können eine Nacht weinen, müssen aber unbedingt sofort aufstehen und den Neuanfang einleiten!” Klar war immer, dass ich die Kommandobrücke nicht verlasse. Das gleiche galt für meine Mitstreiter im Verein.
Anders als Trainer Stipic…
Für mich persönlich war das sehr enttäuschend, zumal er mir tags zuvor noch sein Wort gegeben hatte und sich auch öffentlich dazu bekannte. Egal, der Rücktritt hat den Präsidenten zum sofortigen Handeln veranlasst. Mit Pavel Dotchev wurde unverzüglich ein sehr erfahrener, kompetenter und hochmotivierter Chefcoach verpflichtet. Sofort ist der Vorstand zusammen mit ihm, dem neuen Sportdirektor Steffen Ziffert, Co-Trainer Robin Lenk, Torwartcoach Max Urwantschky und Fitnesstrainer Werner Schoupa daran gegangen, das Team aufzubauen. Es gab ja keins. Dass uns mit Martin Männel – jetzt unser Kapitän – sowie Sebastian Hertner, Nils Miatke und Mike Könnecke vier Leistungsträger erhalten bleiben, ist sehr positiv. Absolut sensationell aber ist die Antwort unserer Fans.
Die Mitgliederaktion „Kumpelverein”?
Genau. Seit meinem Amtsantritt vor zehn Monaten sind über 2.200 neue Freunde zu den Veilchen gekommen – sensationell und eigentlich nicht nachvollziehbar. Ein Plus von über 90 Prozent, also fast das Doppelte in kürzester Zeit! Mit der Entscheidung, die Fans auf die Trikots zu nehmen, ist das noch mehr eine Massenbewegung mit großen Emotionen geworden. Ich bin sicher, dass sich jetzt noch viele Menschen, die ihren Kumpelverein mögen, unserer Sache anschließen. Für den FC Erzgebirge wird es damit möglich, langfristig auch auf diesem Gebiet beachtliche Erlöse aus den Mitgliedseinnahmen zu gewinnen. Dies wird unseren Klub für die Zukunft nicht nur emotional, sondern auch ökonomisch weiter stärken.
Stichwort wirtschaftliche Lage, was bedeutet da der Neubeginn?
Wenn du gerade noch ein Zehntel der Fernsehgelder hast – 700.000 Euro statt sieben Millionen – sagt das alles. Man steigt vom ICE in einen Güterzug. Trotzdem haben wir im Vorstand sofort am Pfingstmontag losgelegt und Gespräche mit Haupt- und Premiumsponsoren geführt. Auch die Idee der Wort- und Bildmarke „Kumpelverein” und der Entschluss, die Fans auf die Brust zu nehmen, stammen noch vom Mai. Es war ein Dank an die Fans für ihre Anerkennung und Treue.
Umso mehr bringen mich die TV-Gelder in Liga 3 in Rage. Wie es heute aussieht, wird sich auf der Strecke nichts grundsätzlich ändern. Die Schere zwischen 2. und 3. Liga ist viel zu groß, obwohl ein ebenbürtiges mediales Produkt – die 3. Liga unterscheidet sich bei Einschaltquoten und medialen Reichweiten nur unwesentlich von der 2. Liga – vorhanden ist. Hier ist der DFB dringend gefordert, in Form fairer vertraglicher Regelungen mit Partnern die kommerzielle Situation der Vereine zu verbessern. Ich rede von allen Klubs, nicht nur über Aue. Anders wird die 3. Liga unter der Bedingung hoher Leistungsdichte nicht mehr finanzierbar sein.
Ab Samstag rollt in Aue der Ball, Sie vertrauen unserem Team?
Ich bin überzeugt, dass wir insgesamt eine ordentliche Saison spielen können, auch wenn der Neuaufbau zwei, drei Jahre brauchen wird. Ein Restrisiko bleibt immer, wenn du in 30 Tagen ein neues Team auf die Beine stellen musst. Doch wir haben uns mit aller Konsequenz jetzt für den Schnitt entschieden. Für ein junges Team mit einem Kern erfahrener Profis und der Kommandosprache Deutsch.
Welche Aufgaben stehen beim FCE an?
Sportlich ist im nächsten halben Jahr das kurzfristig zusammengestellte neue Profiteam so zu formieren, dass es qualitativ den Anforderungen der 3. Liga gerecht wird. Neuaufbau der Mannschaft und der sportlichen Strukturen sind uns im Wesentlichen erst einmal gelungen. Mittelfristig, in den nächsten zwei, drei Jahren, kann das extrem anspruchsvolle Ziel nur Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga heißen. In dieser Zeit werden die Rahmenbedingungen im Klub in jeder Hinsicht enorm verbessert, um die Zukunft des Profifußballs im Erzgebirge zu sichern. Die Eckpunkte heißen: Stadionbau, neues Nachwuchsleistungszentrum mit Internat sowie dringend nötige Verbesserung der Trainings- und Wettkampfbedingungen, so durch weitere Rasen- und Kunstrasenplätze im Rahmen des mit der Stadt Aue beschlossenen Projekts. All diese Dinge wurden in der zurückliegenden Periode beschlussseitig auf den Weg gebracht und erfahren jetzt die Umsetzung. Darauf dürfen wir stolz sein.
Zudem arbeiten wir intensiv an der Qualität der personellen Strukturen beim FCE. Die Jahre bis 2017/18 sind richtungweisend, wie es gelingt, diese Synergien zu entfalten und zu nutzen. Ich weiß, dass uns die Fans, Mitglieder und Sponsoren auf diesem steinigen Weg unterstützen werden. Insbesondere danke ich all den Leuten, die sich nach dem Abstieg zum FC Erzgebirge unter dem Motto „Jetzt erst recht!” bekennen und den finanziellen Absturz verhindert haben.
Wer ist das?
Namentlich die Unternehmen, die ich bewusst jetzt nicht einzeln nennen möchte und die tatkräftig bei der notwendigen Restrukturierung des Gesamtvereins mitzogen und mitziehen. Das waren dramatische Stunden und Tage. Sie zeigten zum Beispiel durch Übernahme von FCE-Mitarbeitern und Erhöhung von Sponsorenleistungen Charakter. Auch bei der Mitgliedergewinnung engagierten sich viele Betriebe mit herausragenden Ergebnissen. Nur so konnten wir ganz schnell die Lizenz für die 3. Liga erhalten und die Knüppel, die uns in den Weg gelegt wurden, beseitigen. Das war eine gewaltige Rettungsaktion für den FCE, die vielen gar nicht so bewusst ist, weil wir diese relativ geräuschlos hinter den Kulissen und ohne Polemik und Jammern durchgezogen haben.
Das ist die Qualität gemeinsamen Handelns, die ich mir als Fortsetzung wünsche. Dann bin ich mir sicher, dass wir es schaffen, die Zukunft im Sinne unseres Traditionsklubs zu meistern. Immer mit der Maßgabe, unsere Tugenden zu erhalten: Bescheidenheit, fleißiges Arbeiten, Leidenschaft und Ehrgeiz für große Ziele. Glück auf!
Quelle: fc-erzgebirge.de